Ein persönlicher Brief an die "Welt"-Leser.
[Von Manolis Glezos]
In
diesem September werde ich 91 Jahre alt. Ich beginne, diesen Text zu
schreiben, auf den Tag genau 72 Jahre, nachdem ich die Deutschen in
Athen
einmarschieren sah, voll bewaffnet, mit Motorrädern und Autos. Es war
der 27. April 1941. Die meisten Leser der "Welt" waren damals noch nicht
geboren. Aber ich war schon 19 Jahre alt. Ich habe daher keine Zeit für
Lügen oder Halbwahrheiten.
Ich wünschte,
Sie könnten hier bei mir sein, damit ich jedem von Ihnen von Auge zu
Auge erzähle, was ich durchlebt habe, was ich sah, und was ich hörte.
Hier aber kann ich nur einige dieser Dinge mit Ihnen teilen. Vielleicht
können wir einander danach mit anderen Augen sehen ...
Die Schlacht um
Kreta. Viel ist darüber geschrieben worden. Es ist leicht, in
Geschichtsbüchern herauszufinden, was geschah. Sie werden von Frauen und
Kindern lesen, die, bewaffnet mit Harken und Stöcken, ihr Land und das
Land ihrer Ahnen verteidigten. Ihnen gegenüber stand die beste Armee der
Welt, die Wehrmacht. Und vom Himmel regnete es Fallschirmjäger ...
Die Sieger marschierten ein und töteten
Am Ende hatte
die Armee gewonnen. Aber die Frauen der Geschlagenen, die ihre Kinder,
Brüder, Väter oder Ehemänner verloren hatten, gingen hinunter zur Küste
oder kletterten in die Berge, und wo immer sie die Leichen des Feindes
fanden, da war es nicht mehr der Feind: Sie ehrten die Verstorbenen, sie
wuschen sie und beerdigten sie, wie es der Brauch war. So waren sie die
Enkelinnen Antigones, die den Toten gegenüber ihre Pflicht
verrichteten.
Gleichzeitig
drangen die Sieger in Kandanos ein. In der Gegend um das Dorf hatten sie
27 Mann verloren. Und so, als "Vergeltung", trafen sie eine selbst für
Kriegszeiten beispiellose Entscheidung: Sie töteten, wen sie fanden, und
vernichteten das Dorf. Stolz auf ihre Taten zogen sie weiter und
hinterließen Gedenktafeln. Suchen Sie danach im Internet.
Am 10. Mai 1944
exekutierten die Nazis meinen 19-jährigen Bruder, in Kessariani. Hätte
er weitergelebt, so wäre er Lehrer geworden. Mit ihm zusammen töteten
sie weitere 81 Männer und 10 Frauen. Am selben Ort hatten sie neun Tage
davor, am 1. Mai, bereits 200 griechische Patrioten hingerichtet.
Die deutsche Schuld gegenüber Griechenland
Unmittelbar nach
der deutschen Wiedervereinigung begann ich dafür zu ringen, dass
Deutschland seine Schuld gegenüber Griechenland begleicht. Sie alle
wissen, worum es dabei geht. Es geht um den erzwungenen Kredit und
Entschädigungen für Zerstörungen der Infrastruktur sowie entwendete
archäologische Schätze. 1995 hatte ich Gelegenheit, den Deutschen die
ganze Sache darzulegen, in einem Artikel für die Wochenzeitung "Die
Zeit" und einer denkwürdigen Veranstaltung in Hannover.
Wenn der Lauf
der Zeit universelle Werte und Prinzipien hinfällig machen würde, dann
würden die Tragödien von Sophokles, Aischylos und Euripides niemandem
mehr etwas bedeuten. Aber es gibt Dinge, die nicht schal werden, die
nicht altern. Das Recht gehört dazu.
Wenn ich heute,
unter dem Gewicht meiner 90 Jahre, diesen Kampf fortführe, so ist es
deswegen, weil ich es fair finde für Deutschland und Griechenland, wenn
Ersteres das zurückgibt, was es Letzterem schuldet.
Wir streben nicht nach Vergeltung
Bitte beachten
Sie, dass Sie mich niemals von Rache reden hören werden. Wir, die wir
geliebte Menschen verloren haben, empfinden keinen Hass für das deutsche
Volk, und wir streben nicht nach Vergeltung. Das können wir nicht tun.
Jene von uns, die den Krieg überlebten, hatten die Pflicht, für unsere
Toten weiterzuleben. Für sie zu lieben, zu tanzen, zu schwimmen. So
lernten wir, das Leben zu schätzen und zu lieben. Hass hindert einen
daran, das Leben zu lieben.
In den Jahren
nach dem Krieg traf ich viele Deutsche. Es war mir immer eine tiefe
Freude, wenn ich Gelegenheit fand, mich mit ihnen auszutauschen, und die
Diskussionen gaben mir immer etwas zum Nachdenken. Alle, nachdem sie
mir zugehört hatten, pflichteten der Rechtmäßigkeit der griechischen
Forderungen zu. So standen mir oft Deutsche zur Seite und halfen mir,
mit dem deutschen Volk zu kommunizieren. Mehr als Dankbarkeit empfinde
ich Freundschaft für sie. Und das ist viel wertvoller, dauerhafter,
menschlicher. Und es ist gegenseitig.
Jeder
Zentimeter europäischen Bodens ist blutdurchtränkt. Wir haben teuer
bezahlt für Theorien von der Überlegenheit bestimmter Stämme oder
Nationalstaaten. Wir brauchen ein Europa aus einem Guss, Solidarität,
Gleichheit und Verständnis füreinander. Die Anerkennung dessen, was
Deutschland Griechenland schuldet, dient absolut dieser Art von Europa.
Es ist auch ein Europa, welches Schiller, Goethe und Brecht gemocht
hätten.
.welt.de 3/5/13
--
-
Mehr zu diesem thema:
"Herr Schäuble, reden Sie über die Kriegsschulden!"
Unser deutscher Mitbewohner ging des Morgens aus dem Haus, sein Zimmer sollten wir aufraumen und sauber halten. Die Reste seines reichlichen Fruhstucks, das wir mit Heisshunger sahen, war mit der Asche seiner Zigaretten bestreut, was wir als eine uns vernichtende Demutigung empfanden.
Reparationsforderung: Athen setzt Deutschland nicht mit Nazi-Regime gleich
-----------
ΟΙ ΓΕΡΜΑΝΙΚΕΣ ΟΦΕΙΛΕΣ ΠΡΟΣ ΤΗΝ ΕΛΛΑΔΑ .... Η Γερμανική Τράπεζα ντρέπεται για το γερμανικό παρελθόν...
Απάντηση ΥΠΕΞ Δ. Αβραμόπουλου σε επίκαιρη επερώτηση Βουλευτών της Κ.Ο. του ΣΥΡΙΖΑ ΕΚΜ
Ελληνικό ΥΠΕΞ: Απάντηση Υπουργού Εξωτερικών Δ. Αβραμόπουλου σε ερώτηση σχετικά με δηλώσεις Υπουργού Οικονομικών Γερμανίας Β. Σόιμπλε
ΓΕΡΜΑΝΙΚΕΣ ΑΠΟΖΗΜΙΩΣΕΙΣ/Spiegel: Η Γερμανία χρωστά στην Ελλάδα 162 δισεκατομμύρια ευρώ
No comments :
Post a Comment
Only News